Protest gegen Zeitarbeitsmesse in Bremen

Sicherheitsfirma greift AktivistInnen an
In der Waterfront in Bremen fand am Samstag die 12. Zeitarbeitsmesse unter dem Motto „Arbeit mit Zukunft“ statt. Um ihre grundsätzliche Ablehnung der Zeitarbeit deutlich zu machen, versammelten sich dort circa 20 AktivistInnen aus verschiedenen linksradikalen und sozialpolitischen Gruppen. Mittels Flugblättern, Redebeiträgen und Transparenten wurden die BesucherInnen informiert.
„Leiharbeit ist eine besonders widerliche Beschäftigungsform, mit ihr werden die Löhne noch weiter gedrückt, die Tarifverträge unterlaufen und die Arbeitsverhältnisse immer weiter prekarisiert„, so Inga Peters vom „Bremer Bündnis gegen Leiharbeit“. „Dies alles geschieht mit Unterstützung der Stadt Bremen“, so Peters weiter. So würden Arbeitssuchende gezielt vom Bremer Jobcenter auf Zeitarbeitsfirmen verwiesen werden, wer dem nicht nachkomme bekäme Sanktionen. „Wir fordern die sofortige Abschaffung der Zeitarbeit“, so Peters.
Überschattet wurde der Protest von Gewalt seitens der Sicherheitsfirma der Zeitarbeitsmesse. Circa 8 – 10 Securities griffen die AktivistInnen gezielt mit Tritten und Faustschlägen an und verletzten mehrere.Mehrere Einsatzwagen der Polizei wurden von den Veranstaltern der Zeitarbeitsmesse angefordert und gingen zum Teil in Kooperation mit den Securities gegen Demonstrierende vor.
„Der Einsatz von Schlägern gegen Proteste gegen Zeitarbeit ist neu. Offensichtlich fühlen sich die Zeitarbeitsfirmen unsicher.“, so Peters dazu. Anschaulich wurde damit, wie Gewalt gegen Erwerbslose, sie mittels Sanktionsdruck in die Mühlen der Zeitarbeitsfirmen zu treiben in private (Security) und öffentliche Gewalt gegen KritikerInnen dieser Verhältnisse ergänzt wird.
„Was der Einschüchterung dienen sollte, ist für uns aber nur erneuter Ansporn.“ so Peters abschließend.

Folgendes Flugblatt wurde verteilt:

Leiharbeit abschaffen
Zeitarbeitsmesse – das klingt gut, das klingt seriös. Auf Messen werden neue Waren und Dienstleistungen präsentiert. Bei der Zeitarbeit wird auch mit Ware gehandelt: mit der Ware Arbeitskraft.

Menschenhandelsmesse? – Das klingt schon nicht mehr so gut.
„Im Arbeitsvertrag standen sechs Stunden. Wir sind aber auf Arbeit gekommen und haben dann zehn, elf Stunden gearbeitet.
„Und die Überstunden sind bis heute nicht bezahlt worden.“
„Also, was ich hier erlebt hatte, erst mal die Billiglöhne, Urlaub wird nicht bezahlt, Krankheit auch nicht. Und was ich auch Ausnutzung finde, ist, dass man Kassenabrechnung zusätzlich machen muss, die auch nicht bezahlt wird.“

(Originaltöne aus der MDR- Nachrichtensendung „exakt“: „Arm trotz Arbeit – Leiharbeiter“ vom 10.04.2007)
„Bei uns gibt es permanent Probleme mit völlig undurchsichtigen Lohnabrechnungen.“
„Welche Kollegen? Bei der ersten Leiharbeitsfirma wechselten die Kollegen oft. Und seitdem bin ich mehr oder weniger Einzelkämpfer.“
„Ich habe überwiegend in Altenheimen gearbeitet. Zunächst in einem Altenheim mit ganz guten Bedingungen (…). Die wollten mich auch übernehmen. Aber das ging nicht. Im Vertrag zwischen Zeitarbeitsfirma und Entleiher war eine Ablöse bzw. Vertragsstrafen vorgesehen. Und eine dreimonatige Sperre zwischen Beschäftigungsende bei der Leiharbeitsfirma und Beschäftigungsbeginn beim selben Betrieb.“

(Auszüge aus Interviews mit Leiharbeitern; in: Wildcat Nr.87, Sommer 2010)

Sie sagen:
„Zeitarbeit – eine moderne Beschäftigungsform, die auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten vielen Arbeitsuchenden die Möglichkeit des (Wieder-) Einstiegs in den Arbeitsmarkt bietet.“

Was für ein Arbeitsmarkt ist das aber?

  • 40 – 50 Prozent weniger Einkommen im Schnitt für gleiche Tätigkeiten (laut DGB- Studie).
  • Zwei Klassen von Beschäftigten innerhalb eines Betriebes.
  • Ständige Konkurrenz und Leistungsdruck.
  • Arbeit auf Probe – als Dauerzustand.
  • Verdrängung von regulären Arbeitsplätzen durch Leiharbeit.
  • Keine Interessenvertretung im Betrieb
  • Häufige Verstöße gegen Tarifbestimmungen
  • Unterlaufen eigener Zusagen durch vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Im Februar 2011 gab es bundesweit 873 000 ZeitarbeiterInnen. Die Hälfte aller neuen Stellen entstehen in der Leiharbeit. Die Beschäftigungsdauer der Mehrheit liegt dort zwischen einer Woche und unter drei Monaten. Nur jede/-r sechste LeiharbeiterIn hat eine Chance, im Anschluss an Leiharbeit eine feste Stelle zu bekommen. Die Hälfte wird wieder arbeitslos.
Konzerne mit Rekordgewinnen und deren Zulieferer setzen auf Leiharbeit auch im ganz normalen Regelbetrieb. Betroffene verdienen aufs Jahr gerechnet durchschnittlich nur halb soviel wie Stamm-MitarbeiterInnen. 13% beziehen zusätzlich Hartz IV. Wie viele der anderen auch Hartz IV beziehen könnten, wenn sie einen Antrag stellen würden, weiß man nicht.
Ähnlich ist es bei Kirchlichen Einrichtungen, Sozialverbänden und anderen Branchen. Immer häufiger werden tarifliche Standards durch eigens dafür geschaffene Leiharbeitsfirmen unterlaufen.

Sie sagen:
So ist das nun einmal. Im Kapitalismus müssen die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. Dazu gehört auch Leiharbeit. Begreift sie als Chance, überhaupt Arbeit zu bekommen.

Wir sagen:
Seht ihr, daher wollen wir euren Kapitalismus auch nicht! Leiharbeit ist ein Instrument des Kapitals normale Arbeitsverhältnisse und Tarife aufzulösen, die Arbeit zu prekarisieren und die Löhne zu drücken. Genauso wie Scheinselbstständigkeit, befristete Arbeitsverhältnisse, unbezahlten Praktika, geringfügige Beschäftigung, unfreiwillige Teilzeitarbeit.
So finanzieren wir durch unsere Hungerlöhne gleich zwei AusbeuterInnen, anstelle nur eines Chefs. Der Staat hat gegen all das nicht nur nichts, er treibt es sogar noch voran und organisiert es mit indem z. B. die Jobcenter Arbeitssuchende gezielt an Leiharbeitsfirmen vermitteln. Wer dem nicht Folge leistet, muss mit Sanktionen rechnen.
Der Kapitalismus mit seinem allgegenwärtigen Wettbewerb aller gegen alle sorgt so dafür, dass immer mehr Menschen verarmen.
Wir dagegen wollen eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Armut. Eine solche Welt ist nur jenseits des Kapitalismus zu haben.
Damit uns die finanzielle Not oder die Drohung mit Geldentzug durch das Jobcenter nicht in solche Jobs zwingt, müssen wir uns treffen und zusammen beraten, wie wir unsere berechtigten Interessen durchsetzen können. Denn das Grundübel liegt nicht in der Leiharbeit allein sondern im Kapitalismus. Deswegen schließt euch zusammen oder organisiert euch z. B. in Erwerbslosengruppen und Gewerkschaften, um dagegen vor zu gehen.

Quelle Text&Bilder: endofroad

Pressereaktion: taz