Lohn statt Prämie

Neueste Rechtsprechung zu „Ein-Euro-Jobs“

Jetzt Ansprüche sichern ! Lohnzahlung statt Prämie möglich.
Das Bundessozialgericht hat in zwei Entscheidungen vom 13.4.2011 und 27.8.2011 Klägern, die in sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ beschäftigt waren, eine Anspruch auf regulären Lohn für die Zeit der Maßnahme zugesprochen.
Hintergrund ist die rechtliche Vorgabe, dass „Ein-Euro-Jobs“ zusätzlich sein müssen.

Was ist zusätzlich ?

Maßnahmen sind nach § 261 Abs.2 SGB III, dann zusätzlich, wenn sie vom Träger nicht ohne Förderung oder nicht innerhalb von 2 Jahren durchgeführt werden können.
Dabei gibt es enge Grenzen.
Wenn zum Beispiel in einem Altersheim Reinigungsarbeiten durchgeführt werden, ist der Träger des Altersheim im Rahmen seiner Aufgaben nicht nur zur Pflege, sondern auch zur Reinhaltung des Heim verpflichtet. Dafür erhält er von den Pflegekassen entsprechende Mittel.
Kommt es jetzt zu einem Einsatz eines „Ein-Euro-Jobbers“ der im Wesentlichen die Reinigungsarbeiten in diesem Heim durchführt, so handelt es sich nicht um eine zusätzliche, sondern um eine Regeltätigkeit innerhalb des Heims.
Ein Einsatz eines „Ein-Euro-Jobbers“ wäre somit nicht zulässig und der Betreffende hätte einen Anspruch auf regulären Lohn.

„Ein-Euro-Jobber“ dürfen nicht nur „zusätzliche“ Tätigkeiten ausführen, sondern ihre Tätigkeit muss auch im öffentlichen Interesse liegen. Diese Abgrenzung soll verhindern, dass mit Hilfe von „Ein-Euro-Jobs“ reguläre Beschäftigung bei privaten Unternehmen vernichtet werden, weil ein anderer Anbieter mit der Hilfe billiger Arbeitskraft – „Ein-Euro Jobs“ konkurrenzlos billige Angebote machen kann. Die Ausführung gewerblicher Tätigkeiten ist folglich nicht im „öffentlichen Interesse“ und schon gar nicht zusätzlich.

Wenn ein Beschäftigungsträger also Handwerkerleistungen anbietet oder ganze Bauprojekte erstellt tritt er in Konkurrenz zu privaten Anbietern und ist gewerblich tätig.
Diese gewerbliche Tätigkeit schließt die Durchführung mit Hilfe von Maßnahmeteilnehmern aus, da diese weder im öffentlichen Interesse noch zusätzlich sind.

Wenn in einem öffentlichen Museum mit staatlicher Trägerschaft „Ein-Euro-Jobber“ als Einlasskontrolle zum Einsatz kommen, ist davon auszugehen, dass es sich nicht um eine „zusätzliche“ Tätigkeit handelt, da ohne Einlasskontrolle der Geschäftsbetriebs des Museums nicht funktionieren würde. Hier wird klassisch Personal im Öffentlichen Dienst eingespart und mit Maßnahmeteilnehmern die Funktion aufrechterhalten.
Auch in diesem Fall handelt es sich nicht um eine zusätzliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes.
Ein Anspruch auf Tariflohn würde bestehen. Ein Einschätzung des Bundesrechnungshofs geht davon aus, dass zwei Drittel aller „Ein-Euro-Job“ Maßnahmen die Kriterien der Zusätzlichkeit nicht erfüllen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eröffnet für Menschen die vom Jobcenter, unter Androhung der Leistungskürzung in Maßnahmen gezwungen werden sollen und denen die mit der Maßnahme schon durch sind, neuen Möglichkeiten sich gegen den „Ein-Euro-Job“ zu wehren.

Was tun ?

  • Die Teilnahme an einem „Ein-Euro-Job“ wird angedroht
  • Sie stecken in einer Maßnahme und wollen / können nicht mehr
  • Die Maßnahme wurde nach dem 1.1.2012 angetreten
  • Die Teilnahme an einem „Ein-Euro-Job“ wird angedroht

Wenn Ihnen das Jobcenter mittels Eingliederungsvereinbarung oder per Zuweisung einen „Ein-Euro-Job“ anbietet oder androht, ist es nicht ratsam, gleich nein zu sagen.

Zunächst sollten Sie sich über die Tätigkeit bei dem Träger informieren. Dazu können Fragen beim Vorstellungsgespräch oder bei Freunden eingeholt werden, die dort schon mal gearbeitet haben. Wichtig ist es, möglichst viele Einzelheiten über Art und Umfang der auszuführenden Tätigkeiten herauszubekommen. Dazu ist es zulässig nach den auf Seite 1 aufgeworfenen Problemen der „Zusätzlichkeit“ zu Fragen.

Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass es sich nicht um „zusätzliche“ Tätigkeiten handelt, können Sie sofort einen Widerspruch gegen die Zuweisung einlegen. Dieser Widerspruch hat allerdings keine aufschiebende Wirkung und die Bearbeitung des Widerspruchs darf bis zu drei Monaten dauern.
Sie müssten also zusammen mit dem Widerspruch an das Jobcenter einen Antrag auf „Aufschiebende Wirkung“ beim Sozialgericht stellen. Erst wenn das Sozialgericht die „aufschiebende Wirkung“ des Widerspruchs angeordnet hat, können Sie dem „Ein-Euro-Job„ fernbleiben.

Zur Vermeidung einer Sanktion ist es deshalb sinnvoll, den Job bis zur Entscheidung des Gerichts zu machen.

Völlig unabhängig von der Frage, ob es sich um eine zusätzliche Maßnahme handelt, können Sie natürlich einen Job ablehnen, den Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht machen können. Dazu sind allerdings ärztliche Atteste und genaue Informationen über Art und Umfang der Arbeiten notwendig.

2. Sie stecken in einer Maßnahme und wollen / können nicht mehr
Sie stecken in einer Maßnahme und sind zu dem Schluss gekommen, die von Ihnen ausgeführten Tätigkeiten gehören zu den Regeltätigkeiten des Trägers oder haben gewerblichen Charakter, d.h. die Arbeitsergebnisse werden verkauft oder es werden Dienstleistungen gegen Rechnung erbracht.
Auch in diesem Fall ist, je nach dem Zeitpunkt der Zuweisung, Widerspruch innerhalb von einem Monat oder ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X der Rechtsmäßigkeit der Zuweisung, wenn diese länger als einen Monat zurück liegt, notwendig.
Dann müsste umgehend das Sozialgericht mit dem Ziel angerufen werden, den weiteren Einsatz in dieser Maßnahme zu unterbinden. Dies müsste durch den Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung erfolgen.
Falls Ihr Ziel jedoch vor allem ist, für die Tätigkeit einen entsprechenden Lohn zu bekommen, sollte der Antrag auf die Zahlung des Lohnes sein anstelle von Hartz IV Leistungen und Prämie.

3. Die Maßnahme wurde nach dem 1.1.2012 angetreten
Der Einsatz im „Ein-Euro-Job“ ist beendet und Sie kommen zu dem Schluss, das die Tätigkeit nicht zusätzlich war. Dies kann mensch nach mehrmonatiger Tätigkeit meistens ziemlich genau beurteilen. Dann müsste ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X in Bezug auf die Zuweisung gestellt werden.

Lohnansprüche geltend machen
Während einer Tätigkeit als „Ein-Euro-Jobber“ wird neben den Hartz IV Leistungen eine Prämie (in Bremen 1,20 Euro pro Stunde) gezahlt. Das Bundessozialgericht hat festgestellt, dass für den Zeitraum der Tätigkeit das Gehalt nach den ortsüblichen Tarife zu zahlen gewesen wäre.

Da aber schon Leistungen geflossen sind (Hartz IV und Prämie) geht es bei einem Zahlungsanspruch um die Differenz zwischen den gezahlten Leistungen und dem Tariflohn unter Berücksichtigung der Freibeträge.
Dies lohnt sich fast immer, da der Freibetrag aus Lohn immer höher ist als die gezahlte Prämie. Spannend, weil lukrativ, wird es für Menschen, die noch im Haushalt der Eltern leben (Hartz IV Leistungen sehr gering) oder die z.B. im öffentlichen Dienst eine höherwertige Tätigkeit als Akademiker*innen ausgeführt haben.

Wie durchsetzen ?
Zunächst müsste es einen Antrag nach § 44 SGB X gegen den Zuweisungsbescheid (oder Eingliederungsvereinbarung) des Jobcenter zu dem „Ein-Euro-Job“ geben. Dies ist im Jahre 2013 rückwirkend bis zum 1.1.2012 möglich.
In diesem Überprüfungsantrag müssen Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des „Ein-Euro-Jobs“ enthalten sein. Hierbei geht es vor allem um die fehlende „Zusätzlichkeit“.
Dann müsste mit dem Verweis auf die fehlende Zusätzlichkeit ein Antrag auf Zahlung der Differenz zwischen Hartz IV + Prämie und dem tariflichen Arbeitslohn gestellt werden. Sollte dies vom Jobcenter abgelehnt werden, ist Klage beim Sozialgericht notwendig.

Wichtig: Nicht der Maßnahmeträger muss die Nachzahlung vornehmen, sondern das Jobcenter.

Das Bundessozialgericht kommt in seinen Entscheidungen zu folgenden Feststellungen:

„Auch bei Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit geht es um eine wertschöpfende, fremdnützige Tätigkeit (Arbeit) des Hilfebedürftigen, auch wenn diese nicht auf privatrechtlichem Arbeitsvertrag gründet, die als eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens definiert ist.“

Wie die alternative Lohnhöhe ermitteln ?
Zur Beurteilung welcher Lohn für die erbrachte Tätigkeit angemessen gewesen wäre, ist die Suche nach dem entsprechenden Tarifvertrag unverzichtbar.
Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist dies ziemlich einfach. Hier gilt der TöVD mit den entsprechenden Eingruppierungsmerkmalen. Im Recycling Bereich der Mindestlohn von 8,24 Euro. Bei der Suche nach dem entsprechenden Tarif können die Mindestlohnbestimmungen für bestimmte Branchen herangezogen werden.

In jedem Fall ist es ratsam eine unserer Beratungsstellen aufzusuchen.

„Ein Euro Jobs“ / Bürgerarbeit und andere Maßnahmen
Maßnahmen wie „Ein Euro-Jobs“ – in Bremen Integrationsjobs genannt – Bürgerarbeit, Maßnahmen mit Entgeltvariante, Bewerbungstrainings- Maßnahmen der Eignungsfeststellung und mehrmonatige Eingliederungsmaßnahmen mit zum Teil mehrwöchigen Praktika werden in der Gesetzgebung und vom Jobcenter als Hilfen für den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt betrachtet. Nach Auffassung des Jobcenter, sollen sie den ach so sehr „arbeitsentwöhnten“ Langzeitarbeitslosen helfen, eine Tagesstruktur neu zu erlernen, an Arbeit gewöhnen und die Tugenden von Fleiß, Pünktlichkeit und Arbeitsdisziplin vermitteln.

Der BEV betrachtet diese Maßnahmen als Teil des Disziplinierungs- und Gängelungsapparates, der vorrangig das Ziel hat, uns in den Niedriglohnsektor zu treiben, denn diese Maßnahmen sind immer kombiniert mit einem rechtlosen Zustand (kein Kündigungsschutz und kein Betriebsrat) und der allgegenwärtigen Androhung von Sanktionen im Falle von Verweigerung und Widerstand. Wesentliche Rechte wie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und während des Urlaubs gelten ebenfalls nicht.

„Ein-Euro-Jobs“
Die 1-Euro-Jobs wurden mit dem SGB II ( Hartz IV ) zum Januar 2005 eingeführt. Sie setzen die Praxis der „Blauen Karte“ aus dem ehemaligen Sozialhilferecht fort. Da sie in der überwiegenden Anzahl keine ausdrücklichen Fortbildungs- und Qualifizierungselemente enthalten, sind die „Ein-Euro-Jobs“ ein gesetzliches Zwangsmittel, um einzelne LeistungsbezieherInnen durch zunächst 6-monatige Gewöhnung an Arbeit zu disziplinieren.