Kundgebung in Bremen-Vegesack
Protest gegen Teuerung erreicht die Straße
Ein „Bremer Bündnis gegen Preissteigerungen“ plant für Sonnabend eine Kundgebung gegen die immer höheren Lebenshaltungskosten. Gefordert wird eine „Preisbremse“. Weser Kurier vom 14. Juli 2022
Der Unmut über die allgemeine Teuerungswelle beginnt sich öffentlich zu artikulieren. Ein „Bremer Bündnis gegen Preissteigerungen“ ruft für den kommenden Sonnabend, 13.30 Uhr, zu einer Kundgebung auf dem Sedanplatz in Vegesack auf. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss linker Gruppen, Stadtteilinitiativen und Einzelpersonen, die ein Zeichen gegen die drohende Verarmung breiter Schichten setzen wollen.
Im Aufruf zu der Veranstaltung heißt es: „Zur höchsten Inflation seit Jahrzehnten kommen Preissteigerungen bei Lebensmitteln um fast ein Drittel im Verhältnis zum Vorjahrespreis. Die Heizkosten drohen zu explodieren, Wohnungsunternehmen wie Vonovia kündigen Mieterhöhungen an, und auch der „Tankrabatt“ hat vor allem die Mineralölkonzerne entlastet. Die Einkommen dagegen steigen nicht.“ Immer mehr Menschen seien mit der Aussicht konfrontiert, sich ihr Leben bald nicht mehr leisten zu können.
„Die Preise müssen runter“, sagt Tobias Helfst, der als Berater für den Bremer Erwerbslosenverband tätig ist. Zwar trügen die Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges zum Preisanstieg bei. „Es sind aber die Unternehmen, die die Krise für sich nutzen und noch weiter die Preise erhöhen. Damit muss Schluss sein, eine Preisbremse muss dringend her“, fordert Helfst.
Eine Preisbremse? Theoretisch gäbe es in Deutschland dafür eine Rechtsgrundlage, die aus der frühen Nachkriegszeit stammt. Das „Übergangsgesetz über Preisbildung und Preisüberwachung“, kurz Preisgesetz, war bereits in der Besatzungszeit in der amerikanischen und britischen Zone gültig und wurde später ins Bundesrecht übernommen. Nach mehreren Änderungen ist es im Grundsatz immer noch in Kraft. Es würde den Wirtschaftsminister zu preisregulierenden staatlichen Maßnahmen ermächtigen. In der Praxis spielte dieses Gesetz in den vergangenen Jahrzehnten allerdings keine Rolle. Das muss nicht so bleiben, meinen die Organisatoren der Vegesacker Kundgebung.
Die Veranstaltung ist in der Region die erste Demonstration gegen die derzeitige Teuerungswelle, möglicherweise mit Vorreiterfunktion. „Wir bekommen ein großes Feedback aus anderen Städten und Anfragen auch von wissenschaftlichen Einrichtungen“, ist von Tobias Helfst zu erfahren. Tatsächlich hat sich bundesweit auf der Straße noch nicht viel getan. Das ist jedenfalls die Wahrnehmung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Berlin. „Der Protest beschränkt sich noch weitgehend auf die sozialen Netzwerke“, sagt die Sprecherin der Organisation, Gwendolyn Stilling. Auf Twitter etwa trendet der Hashtag #ichbinarmutsbetroffen.
Für Aktionen auf der Straße zu mobilisieren, sei derzeit aber ein schwieriges Unterfangen. Das hätten sich zuletzt die Veranstalter von Protesten gegen den G7-Gipfel auf Schloss Elmau eingestehen müssen. Der Paritätische habe zuletzt bei der Vorstellung seines Armutsberichts auf die gesellschaftlichen Gefahren der Teuerungswelle aufmerksam gemacht. Die bisherigen staatlichen Hilfen „verpuffen schon, bevor sie überhaupt ankommen“, meint Stilling.