Sozialbehörde kürzt Mietgrenze für Wohngemeinschaften

Zum 15. Februar 2018 trat in Bremen eine Änderung der Verwaltungsanweisung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft in Kraft. Diese wurde von der Verwaltung der Sozialbehörde der Senatorin Stahmann (Grüne) erarbeitet und dem zuständigen Parlamentsausschuss zur Kenntnis gegeben. Sie gilt für etwa 85.000 Menschen in Bremen, die Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) und dem SGB XII (Grundsicherung im Alter) erhalten.

In dieser Änderung sind zwei zentrale Angriffe auf bisherige Standards bei der Übernahme von Mietkosten enthalten. Der erste betrifft Leistungsbezieher*innen in Wohngemeinschaften und der zweite Bedarfsgemeinschaften, die in zu engen Wohnungen leben, also vornehmlich wenn mehrere Kinder in einer Wohnung leben und in Folge des zunehmenden Alters einen größeren Platzbedarf haben oder zusätzliche Kinder geboren werden.

Wohngemeinschaften

Bisher galt die Regelung, dass allen Mitgliedern einer Wohngemeinschaft die Kosten bis zur Höhe für eine Einzelperson ( Bremen 455 Euro) anerkannt wurden. Grund für diese Praxis war eine Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2008, dass zum dem Schluss kam, WG-Mitglieder benötigen eben mehr Platz als ein einzelnes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, zum Beispiel ein 15-jähriges Kind in einer Familie. Diese Regelung erfolgte unabhängig von der Vertragsform.

Die Neuregelung enthält zwei wichtige Elemente. Der begriff Wohnung wird neu definiert.

„Wohnung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen ist die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen oder Wohnräumen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushaltes notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen.“

Damit hat dass WG-Zimmer bei Mitnutzung von Gemeinschaftseinrichtungen seinen Status als Wohnung verloren.

Die zweite Attacke beruht auf der formellen Reduzierung der Kosten. Die Neuregelung sieht wie folgt aus:

„Aufgrund eines höheren Wohnbedarfes in Wohngemeinschaften gegenüber Familien gleicher Haushaltsgröße hat jede in einer Wohngemeinschaft wohnende leistungsberechtigte Person, die vertraglich zur Tragung von Unterkunftskosten verpflichtet ist, einen Anspruch bis zur Höhe eines kopfteiligen Anteils an den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für einen um eine Person größeren Mehrpersonenhaushalt (Kopfteilmethode).“

Diese Neufassung an einem Beispiel erläutert.

Eine Wohngemeinschaft aus 4 Personen hat eine Wohnung mit fünf Zimmern, davon einen Gemeinschaftsraum, angemietet. Für diese Wohnung sind insgesamt 1200 Euro Bruttokalt zu zahlen. Angenommen, alle Bewohner*innen tragen ein Viertel der Kosten so müsste jede/r 300 Euro (ohne Heizung) bezahlen. Die Kosten sind bisher bei maximal 455 Euro pro Person gedeckelt.
Eine Person aus dieser Muster WG verliert den Job als scheinselbständiger WiMi an der Uni und muss den Hartz IV Antrag stellen. Es existieren keine Verträge der vier Mitglieder untereinander.
Diese Person erzählt bei Antragstellung im Jobcenter offenherzig, in einer tollen WG zu wohnen.
Jetzt tritt die Neuregelung in Kraft. Maßgeblich ist jetzt die Obergrenze für einen fiktiven 5 Personenhaushalt (Zahl der WG Mitglieder + eins) Diese Obergrenze beträgt in Bremen 738 Euro, geteilt durch 4 WG Mitglieder ergibt pro Person einen Betrag von 184,50 Euro. Statt der erhofften 300 Euro Bruttokaltmiete (ohne Heizkosten) muss mensch jetzt 115,50 Euro monatlich aus dem Regelsatz (gesetzliches Existenzminimum für Essen, Trinken, Bekleidung, Strom, Tel. und Verkehr) von 416 Euro zur nicht gedeckten Miete zuzahlen.

Der Ausweg
Um dieses Dilemma zum Umgehen, ist es ratsam zwischen den Mietparteien Untermietverträge abzuschließen. Diese müssen jedoch deutlich vor Antragstellung auf Hartz IV abgeschlossen sein. Nun ja Papier ist geduldig. Aber das Jobcenter ist mit seinem höchstrichterlich abgesegneten Schnüffelbefugnis berechtigt, die Kontoauszüge der letzten drei Monate einzusehen. Da sollten dann schon Gelder in Höhe des Mietvertrages geflossen sein.

„Die Kopfteilmethode gilt nicht, wenn die leistungsberechtigte Person mit dem Vermieter oder einem anderen Mieter einen gesonderten Vertrag über die ihr allein zur Nutzung überlassenen Räume und die gemeinschaftlich genutzte Mietfläche abgeschlossen hat. In diesen Fällen ist die mietvertragliche Vereinbarung für die Anerkennung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung maßgebend, in der Höhe jedoch begrenzt auf die angemessenen Aufwendungen für einen Einpersonenhaushalt. Dieses gilt bei Mietverträgen mit einem anderen Mieter (Untermietvertrag) nur, wenn die vertraglich vereinbarte Miete zu der gesamten Wohnungsmiete in einem angemessenen Verhältnis steht.“

Dieser zitierte Passus aus der Verwaltungsanweisung verweist auf das nächste Problem. Der Datenschutz anderer WG-Mitglieder, vor allem eines eventuellen Hauptmieters, vor dem Jobcenter ist in Gefahr. Das Jobcenter möchte Einsicht in den Hauptmietvertrag haben, um so eine „Überzahlung“ der Antrag stellenden Person zu vermeiden. Bisher reichte eine schriftliche Notiz des Hauptmieters die Einsicht in diese Daten zu verweigern.
Es ist davon auszugehen, dass die Kürzungswellen in den nächsten Wochen beginnen wird.
Da auf der Webseite der Sozialbehörde noch die alte Verwaltungsanweisung eingestellt ist, können Interessierte die neue VA beim BEV einsehen: Hier (als PDF).

Wohngemeinschaften ist anzuraten, für den Fall des Jobcenterganges von einzelnen Mitgliedern einen „Plan B“ für die Vertragsgestaltung und Kostenaufteilung in der Tasche zu haben.